Teil unserer Ausbildung zum/zur examinierten Altenpfleger/in, ist die Auseinandersetzung mit den sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen. Das sind Erkrankungen mit chronisch fortschreitender Schädigung von Nervenzellen. Dazu zählen eine Menge bekannter Krankheitsbilder, wie Morbus Alzheimer oder auch Morbus Parkinson. Die Auswirkung dieser Erkrankungen ist fast immer eine Demenz, wobei die Demenz eigentlich nur einen Symptomkomplex beschreibt, nicht aber die zugrundeliegende Krankheit. Die Demenz spielt in der Altenpflege eine entscheidende Rolle. Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes gehört sie zu der häufigsten und folgenreichsten psychiatrischen Diagnose im höheren Alter. Der Abbau des Gedächtnisses, das Vergessen in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen, ist allen Demenzformen eigen.
Aber Vergessen ist nicht gleich Vergessen, denn jeder vergisst anders und Anderes. Wie wirkt sich nun eigentlich das individuelle Vergessen unserer Bewohner, Kunden und Gäste auf den pflegerischen Alltag aus? Und was können wir tun?
Hier möchte ich euch einen kleinen Gesprächsausschnitt geben zwischen Jana, Eva und mir.
Jana: In der Tagespflege im Caritas-Seniorenzentrum Kardinal Bengsch, Charlottenburg ist u.a. ein Betreuungsangebot für dementiell Erkrankte vorhanden. Dort wird individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Betroffenen eingegangen.
Eva: Wie kann ich mir diese individuelle Betreuung vorstellen?
Jana: Es sind häufig Dinge des normalen Alltags, Dinge aus dem Milieu der Betroffenen, die eingesetzt werden, um den Tag zu strukturieren, beispielsweise das gemeinsame Kochen. Das klingt erst einmal banal, aber mit Hilfe dieser Tätigkeit gibt man den Betroffenen ein Gefühl von Sicherheit, da das Zubereiten der Mahlzeit einen wichtigen zeitlichen Marker darstellt.
Matthias: So wie ein Ritual?
Jana: Ganz genau. Selbst wenn wir uns jeden Morgen die Hand geben oder ein Tischgebet sprechen, ist das ein Ritual. – Überlegt einmal selbst, wie viele Rituale ihr eigentlich täglich ausführt.
Eva: Auf das Jahr gesehen, gibt es ja unendlich viele: Geburtstage, Wochenenden, morgendliche Rituale…
Matthias: Ja, ohne eine Dusche geht bei mir überhaupt nix!
Eva: Und was wäre das Jahr ohne das Weihnachtsfest?
Jana: Ihr seht, jedes Ereignis ist wie ein Knoten in einem Netz, das uns schützt und uns vor einem Absturz bewahrt…
Eva: und wir pflegen stark beanspruchte Netze…
Matthias: und ersetzen auch mal einen Knoten, der partout nicht mehr halten will.
Jana: Ja, und kommen zusammen und tauschen uns aus, es wird erzählt, gelacht und Zeit miteinander verbracht.
Eva: Bei uns im St. Elisabeth in Velten haben wir auch Bewohner mit dementiellen Erkrankungen, so wie in fast jedem Senioren Zentrum. – Da wir viele dementielle erkrankte Bewohner in unserer Einrichtung haben und diese besondere Aufmerksamkeit brauchen, gibt es einen extra auf sie zugeschnittenen Speise- und Beschäftigungsraum.
Matthias: Wie kann ich ich mir das genau vorstellen?
Eva: Die Betroffenen haben ja häufig ein ganz anders Zeitverständnis und benötigen Hilfestellung bzw. Übernahme der Nahrungsaufnahme; dafür sollte eine stressfreie Zone geschaffen werden, frei von überflüssigen Reizen. In diesem Raum sitz bei den Mahlzeiten immer jemand vom Betreuungspersonal mit am Tisch. Das Betreuungspersonal hilft auch falls es von Nöten sein sollte.
Jana: Es wird also eine gewisse Normalität vermittelt?
Eva: So kann man das sagen. Jeder darf in seinem Tempo und auf seine Art und Weise essen, ohne das der-oder diejenige sich schämen muss oder argwöhnisch beäugt würde.
Matthias: Warum isst eigentlich jemand vom Betreuungspersonal mit?
Eva: Falls ein Bewohner nicht mehr genau weiß wie man z.B. den Löffel zum Mund führt, können sie es sich bei demjenigen abschauen. Wie schon gesagt, ist dieser besondere Raum auch für die Beschäftigung der dementiell Erkrankten Bewohner, dort macht das Personal vom Betreuungsteam einen großartigen Job. Sie machen sehr viele Gedächtnisspiele mit den Bewohnern, immer auf spielerische Weise, so dass es jedem von ihnen großen Spaß macht daran teil zu nehmen.
Jana: Kannst du uns vielleicht ein Beispiel geben wie so eine Gedächtnisspiel abläuft?
Eva: Klar. Ein voller Bauch…
Matthias: studiert nicht gern?
Eva. System erkannt Matthias.
Jana: Geben ist seliger…
Eva: denn nehmen.
Matthias: Hunger ist der beste…
Jana: Koch
Alle lachen
Eva: Ihr seht, es geht um das Vervollständigen, wie ein Gedankenmemorie bringt man zwei zugehörige Teile zusammen. Das Ganze funktioniert auch mit Liedern. Die Betreuung beginnt ein bekanntes Volkslied zu singen und der Bewohner singt dann die Strophe zu Ende.
Matthias: Ja, viele Dinge sind sehr einfach aber doch sehr wirkungsvoll. Das konnte ich im St. Konrad auch feststellen.
Eva: Wie meinst du das?
Matthias: Naja, man stimmt ein Lied an, oder auch ein Gedicht und ist überwältigt, was dann alles passieren kann. In der Weihnachtszeit sangen wir ‚Vom Himmel hoch, da komm ich her‘ im Tagesraum mit allen Bewohnern. Normalerweise sangen wir von jedem Weihnachtslied nur drei Strophen, auch bei diesem Lied war das unser Vorhaben, doch eine Bewohnerin sang einfach weiter. Mit einer Inbrunst und Freude schmetterte sie uns 15. Strophen ohne Fehler, geschweige denn einer Ahnung von kognitiver Einschränkung, alle waren baff und ich hatte einen meiner schönsten Weihnachtsmomente 2015.
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Ich finde es bezeichnend, dass gerade so viele kleine Dinge und Erinnerungen bei uns bleiben und das sind, was uns Menschen ausmacht, wenn vieles Andere vergessen ist. Ihr macht eine so wichtige Arbeit, in dem ihr euch um diese kleinen Schätze kümmert!!
Danke für die lieben Worte und das du unseren Blog besuchst, weiter so.